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Das Engagement für die Umwelt erfordert einen langen Atem. Wer ihn aufbringt, erfährt: Ein nachhaltiger Lebensstil bedeutet nicht nur Verzicht, sondern auch Lustgewinn.

Umwelt-Weltmeister? Die Deutschen sehen sich selbst gerne so. Und zugegeben: Die Fortschritte auf dem Weg hin zu einem umweltverträglicheren Leben können sich sehen lassen. Die Umwelttechnik erzielt Erfolge bei der Luftreinhaltung und beim effizienten Einsatz von Rohstoffen und Energie, die Nachfrage nach Lebensmitteln aus biologischem Anbau boomt, der „faire Handel“ meldet hohe Zuwächse. Die Angebote im Öffentlichen Nahverkehr haben sich vielerorts verbessert (zum Beispiel durch den Taktverkehr), Initiativen und lokale Gruppen engagieren sich für soziale Aufgaben und Umweltprojekte. Andererseits gilt aber auch: Der Flugverkehr verzeichnet weiterhin hohe Zuwachsraten, spritsaufende SUVs verkaufen sich wie warme Semmeln, Grünflächen müssen Straßen, Gewerbegebieten und Neubausiedlungen weichen…

Die Frage bleibt also: Wie lassen sich die positiven Ansätze weiter verstärken? Was könnte uns selbst zu (noch) mehr Engagement für die Umwelt verführen? Die Erfahrungen aus der Umweltbildung, -beratung und dem Umweltmanagement zeigen, welche Ansätze Erfolg versprechen:

1. Checken Sie Ihre Motive.

Eltern von Kindern, die an Allergien leiden, forschen umgehend nach Schadstoffen im Wohnumfeld, sie geben womöglich sogar entsprechende Analysen in Auftrag und lassen sich Maßnahmen etwas kosten, von denen sie Besserung erhoffen. Ganz klar: Menschen handeln und ändern ihr Verhalten umso eher, wenn sie dafür ein starkes Motiv haben.
Gesund bleiben oder gesund werden wollen, für nahe stehende Menschen sorgen – das sind wohl die stärksten Motive. Deshalb ist es so wichtig, Wissen über Zusammenhänge in unserer Umwelt, über die Verbreitung und Wirkung von Schadstoffen und über die Folgen der Zerstörung von Lebensräumen zu sammeln – auch wenn solches Wissen allein nicht „automatisch“ zu umweltschonendem Verhalten führt. Vorschlag: Kommen Sie in der Familie/in der Familiengruppe/im Freundeskreis ins Gespräch darüber, aus welchen Motiven sich die Beteiligten für den Schutz ihrer (lokalen) Umwelt engagieren (würden): Für eine gute Zukunft der Kinder? Weil sie selbst gut und gesund leben möchten? Aus Verantwortung für Gottes Schöpfung? Aus Freude an einer intakten Natur? Wegen der sozialen Kontakte zu Gleichgesinnten?…

2. Vernetzen Sie sich.

Wer eine nachhaltige, also sozial gerechte, umweltschonende und wirtschaftlich tragfähige Entwicklung unterstützen will, muss auch (und zuerst) mit sich selbst „nachhaltig“ umgehen. Das heißt: auf seine Grenzen achten, mit den eigenen Ressourcen schonend umgehen, sich nicht permanent mit überhöhten Ansprüchen überfordern. Sonst bleibt auch die Freude am Einsatz eher früher als später auf der Strecke. Vorschlag: Suchen Sie Kontakt zu einer Gruppe, in der Sie frühzeitig auch über Fragen, Enttäuschungen, Selbstzweifel reden und sich an (gemeinsamen) Erfolgen freuen können. Das kann eine Familiengruppe oder der eigene schon vorhandene Freundeskreis sein; in vielen Regionen gibt es zudem seit Jahren Netzwerke (wie das Eine-Welt-Netzwerk Bayern, das Agenda 21-Netzwerk, die Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umwelterziehung), die den einzelnen spüren lassen: Ich stehe nicht allein in einem Meer von Egoisten und Genusssüchtigen, sondern viele teilen meine Sehnsucht nach einer gerechteren Welt, in der auch künftige Generationen gut leben können.

3. Verfassen Sie Ihr Leitbild

„Wenn du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Menschen die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer.“ Dem Rat des Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry folgen Unternehmen, auch fast 500 kirchliche Einrichtungen und Pfarrgemeinden, die ein Managementsystem zur Verbesserung ihrer Umweltbilanzen einführen. Sie kontrollieren nicht nur laufend, was sie verbrauchen, und regeln Aufgaben und Abläufe, sondern sie formulieren mit ihren Mitarbeitern in einem Leitbild, wozu sie das machen, von welchen Idealen und Werten sie sich dabei leiten lassen. Vorschlag: Kommen Sie in der Familie/in der Familiengruppe/im Freundeskreis ins Gespräch über Haltungen, die in der biblischen Überlieferung wurzeln – Ehrfurcht vor der Schöpfung, Mitgefühl mit jedem Geschöpf, Achtsamkeit im Umgang mit den Dingen, Demut, Askese und Verzicht. Was könnte daran so attraktiv sein, dass ich meine Einstellung zum Leben und zur Mitwelt verändere?

4. Setzen Sie sich konkrete Ziele.

„Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Vorsätzen“, weiß der Volksmund. Will sagen: Allgemeine Absichtserklärungen bleiben erfahrungsgemäß wirkungslos. Unverzichtbar für praktische Verbesserungen im Umweltschutz sind daher möglichst präzise umschriebene, konkrete Maßnahmen. Das Umweltmanagement von Unternehmen entwickelt deshalb folgerichtig ein „Umweltprogramm“ für die nächsten Jahre; darin ist verbindlich festgelegt, welche Einsparungen das Unternehmen zum Beispiel bei der Heizenergie oder beim Papierverbrauch erreichen will, welche Maßnahmen dazu wann anstehen und wer dafür verantwortlich ist. Auch im privaten Bereich bewähren sich klare Ziele und Maßnahmen, zunächst erprobt für eine vorab bestimmte Zeit. Mit Erfolg rufen zum Beispiel viele Bistümer zusammen mit der Evangelischen Kirche seit Jahren zum „Autofasten“ auf. Bekannt sind auch Initiativen wie „Sieben Wochen ohne“ (… Alkohol, Zigaretten, Süßigkeiten, …) oder „Sieben Wochen mit“ (… saisonalen Lebensmitteln aus der Region, aus ökologischem Anbau, aus „fairem“ Handel, …). In dieser Zeit entdecken Teilnehmer, wie sie selbst bestätigen, dass bewusstes Verhalten nicht zu allererst Einschränkung und Verzicht bedeutet, sondern sogar Vorteile wie neue Kon­takte, Einsparungen oder mehr Bewegung. Solche Erfahrungen ermutigen zu dauerhaften Änderungen im Alltagsverhalten, eher jedenfalls als alle gut gemeinten Appelle. Vorschlag: Verabreden Sie in der Familie/in der Familiengruppe/im Freundeskreis ein Projekt: in den nächsten vier Wochen einmal wöchentlich gemeinsam auf einem Biobauernhof oder einem Bauernmarkt frische Lebensmittel aus der Region einkaufen, einen autofreien Sonntag gestalten, in den nächsten vier oder acht Wochen wöchentlich Strom- und Wasserverbrauch ablesen und miteinander über Einsparmöglichkeiten reden.…

5. Machen Sie Gewinn.

Mittlerweile lässt sich in vielen Bereichen mit umweltfreundlichen Technologien Geld verdienen. Das hat zum Beispiel zur raschen Verbreitung von Photovoltaikanlagen beigetragen. Zudem nimmt, seit die Preise für Öl und Gas rasant steigen, auch die Bereitschaft zum Energiesparen zu. Und dabei zeigt sich: Durch optimierte Regelung und Wartung und durch achtsames Nutzerverhalten lässt sich der Verbrauch von Strom, Heizung und Wasser um bis zu 20 Prozent, bisweilen sogar noch deutlich stärker verringern – ganz ohne Komfortverlust, mit deutlichen Einsparungen bei den Kosten und zugleich Entlastung der Umwelt. Vorschlag: Hören Sie sich unter Ihren Bekannten und Kollegen am Ort um, was sie bereits zur Senkung des Energie- und Wasserverbrauchs unternommen haben, und lassen Sie sich bei Bedarf von Energieberatern und anderen Fachleuten informieren.

6. Feiern Sie Ihre Erfolge.

Kaum etwas verhindert ein stetiges Engagement für die Umwelt mehr als die Enttäuschung, den positiven Effekt des eigenen Handelns nicht unmittelbar zu erkennen oder gar Entbehrungen zu erleben. Umso mehr kommt es darauf an, zählbare Erfolge und Auswirkungen anschaulich darzustellen und zu verbreiten. Einrichtungen, die Umweltmanagement betreiben, veröffentlichen deshalb jedes Jahr eine „Umwelterklärung“, die Veränderungen beim Verbrauch von Energie, Wasser und anderen Materialien genau darstellt und die vielfach einen Anlass bietet, mit den Beteiligten zu feiern. Vorschlag: Ziehen Sie in der Familie/in der Familiengruppe/im Freundeskreis oder, wenn Sie sich zum Beispiel um den Umweltschutz in einer Gemeinde/einem Verein bemühen, regelmäßig Bilanz und laden Sie alle Beteiligten ein, die gemeinsam erzielten Erfolge zu feiern – vielleicht auch mit einem Ausflug zur nächsten Solar-Messe?

7. Versuchen Sie’s mal mit Genügsamkeit.

Nicht nur Erfolge, Leistungen, Daten spornen an, sondern gerade auch glaubwürdige Vorbilder: Menschen, die überzeugend vorleben, dass sie glücklich und zufrieden leben, obwohl, nein: weil sie sich nicht alles leisten (wollen, können). Sie sind gewissermaßen Propheten einer neuen Kultur von Bescheidenheit, der Genügsamkeit. Zwischen Genügsamkeit und Genießen bestehe ein tiefer innerer Zusammenhang: Das hat bereits 1995 die Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“ aufgezeigt: Wer alles im Übermaß besitzt, verlerne das einzelne Gut zu schätzen; die Masse der Dinge, die uns umgibt, der Wettlauf, mit anderen mithalten zu wollen, werde zur Belastung. „Gut leben“ sei möglich, wenn wir nicht alles haben wollen, sondern uns freiwillig begrenzen auf das, was uns wertvoll ist. Vorschlag: Kommen Sie in der Familie/in der Familiengruppe/im Freundeskreis ins Gespräch darüber, was Ihnen im Leben wirklich wichtig ist und worauf Sie gegebenenfalls verzichten könnten.

Edmund Gumpert